Flüchtlinge
(alter Text)
ARCHIV (Text aus dem Jahr 2000):
Nach Angaben der Bundesausländerbeauftragten
befanden sich Ende 1998 etwa 1,2 Millionen
Flüchtlinge in Deutschland. Diese Zahl beinhaltet allerdings
u.a. auch die seit 1990 eingereisten jüdische Emigranten aus
der ehemaligen UdSSR sowie Familienangehörige der
Asylberechtigten, ebenso eine weder im AZR noch gesetzlich
faßbare Größe von
"de-facto-Flüchtlingen". Daher sind diese Angaben für
die Jahre 1985-1998
nur sehr bedingt brauchbar.
Im engeren Sinn sind nur diejenigen als Flüchtlinge zu
bezeichnen, die entweder in einem individuellen Verfahren diesen Status
zugesprochen bekamen oder als Kriegs- oder
Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen wurden. Bei der
letztgenannten Gruppe ergeben sich allerdings statistisch erhebliche
Schwierigkeiten, da das AZR
nur Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge im Sinne des
§ 32a AuslG als solche erfaßt. Dagegen sind die aus
Bosnien-Herzegowina geflohenen Personen nur geduldet. Fraglich ist, ob
die große Anzahl der in Deutschland nur geduldeten Personen
insgesamt zu den Flüchtlinge in einem weiteren Sinne gerechnet
werden kann. Sicher zu den Flüchtlingen im weiteren Sinn
gehören die Asylbewerber,
auch wenn nur sehr wenige von ihnen als Flüchtlinge i.e.S.
anerkannt werden.
Faßt man den Flüchtlingsbegriff wie zuletzt
beschrieben, so erhält man für das Jahr 1999 etwa 900.000
Flüchtlinge in Deutschland, von denen jeweils etwa ein Drittel
Flüchtlinge i.e.S., Asylbewerber und geduldete Personen sind.
Individuell
anerkannte Flüchtlinge (§ 51 AuslG)
Diesen Personen wurde durch ein förmliches Verfahren der
Status eines Flüchtlings zugesprochen; damit ist i.a. eine Aufenthaltsberechtigung
verbunden. § 51, Abs. 2 AuslG sowie §§ 2f.
AsylVfG unterscheiden dabei zwischen Asylberechtigten
("großes Asyl") und Konventionsflüchtlingen
("kleines Asyl").
Asylberechtigte
sind Flüchtlinge, deren Asylantrag durch das Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge positiv entschieden wurde. Sie genießen
die Schutzrechte des "Abkommens über die Rechte der
Flüchtlinge" (Genfer Flüchtlingskonvention) vom
28.07.1951 und stehen zudem unter dem besonderen Schutz des
Grundrechtes auf Asyl nach § 16a GG.
Konventionsflüchtlinge,
auch "GFK-Flüchtlinge" genannt, sind weitere
Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention (GFK) von 1951. Sie
haben diesen Status bereits im Ausland oder durch eine entsprechende
Entscheidung eines Asylverfahrens beim Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erhalten und
können sich auf die Schutzrechte der Genfer
Flüchtlingskonvention berufen.
Staatlich
aufgenommene Flüchtlinge (§§ 32a-33 AuslG)
Diese Personen dürfen aufgrund staatlichen Interesses aus
völkerrechtlichen, humanitären oder politischen
Gründen nach Deutschland einreisen und haben daher kein
individuelles Anerkennungsverfahren zu durchlaufen. Man unterscheidet
dabei juristisch zwischen "Kriegs- und
Bürgerkriegsflüchtlingen" und
"Kontingentflüchtlingen", doch sind diese Begriffe in
höchstem Maße mißverständlich.
Flüchtlinge dieser beiden Gruppen erhalten eine Aufenthaltsbefugnis.
Kriegs- und
Bürgerkriegsflüchtlinge
gibt es gesetzlich erst durch die Einführung des §
32a AuslG seit dem 01.07.1993; ihre Rechte ergeben sich aus diesem
Paragraphen. In diesem Sinne sind bislang nur die 25.000 Kosovo-Albaner
Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die im Rahmen
der internationalen Vereinbarungen als Kontingent in Deutschland
aufgenommen wurden. Näheres dazu findet man im
jüngsten Bericht der Bundesausländerbeauftragten.
Kontingentflüchtlinge
nach § 33 AuslG haben aufgrund des "Gesetzes über
Maßnahmen für im Rahmen humanitärer
Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge" (vom 22.07.1980) die
Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention. Die weitaus meisten
dieser Kontingentflüchtlinge in Deutschland sind derzeit jüdische Emigranten aus
der ehemaligen UdSSR. Die Bezeichnung "Flüchtling" ist hier
dem Wortsinn nach sicher falsch, da diese Menschen keineswegs fliehen
müssen; vielmehr liegt hier ein politisches Interesse
Deutschlands vor, dem Wunsch dieser Juden nach Einreise nach
Deutschland zu entsprechen.
Asylbewerber
(AsylVfG)
Diesen Personen wird der Aufenthalt in Deutschland so lange gestattet,
bis ihr Asylantrag durch das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge rechtskräftig
entschieden ist.
Geduldete
Flüchtlinge (§ 53-55 AuslG)
Diese Personen sind rechtskräftig ausreisepflichtig, doch wird
aus verschiedenen Gründen humanitärer oder
rechtlicher Art von der Durchsetzung einer Abschiebung abgesehen. In
diesem Sinne spricht man von
de-facto-Flüchtlingen,
die juristisch keine Flüchtlinge sind und daher Deutschland
"eigentlich" verlassen müßten.
Die Bundesausländerbeauftragte schreibt dazu in ihrem Bericht:
- Asylberechtigte wurden nach Artikel 16
GG bzw. Artikel 16a GG als politisch Verfolgte anerkannt. Sie haben den
Nachweis erbracht, daß sie von gezielten
Verfolgungsmaßnahmen durch staatliche Organe im gesamten
Gebiet ihres Herkunftslandes betroffen sind. Wer über einen
,,sicheren Drittstaat" einreisen will oder bereits eingereist ist, kann
sich nicht auf das Grundgesetz berufen, sondern wird an der Grenze
zurückgewiesen bzw. - sofern der Transitstaat identifiziert
und aufnahmebereit ist - dorthin zurückgeschoben. Als
,,sichere Drittstaaten" gelten alle
EU-Mitgliedsländer sowie z.Z. Polen, die Schweiz, die
Tschechische Republik und Norwegen. Die
Bundesrepublik ist somit von einem Gürtel potentieller
Rücknahmeländer umgeben.
- Das Abkommen über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Genfer
Flüchtlingskonvention - GFK) definiert als Konventionsflüchtling
eine Person, die sich aus der begründeten
Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen
ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes
befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und den
Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser
Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will. Der von der GFK
erfaßte Personenkreis wird von den Signatarstaaten als
schutzbedürftig anerkannt; in den meisten dieser
Länder bilden allein Konventionsflüchtlinge den
Personenkreis der ,"politisch Verfolgten", da sie dem Artikel 16a GG
entsprechende Regelungen nicht kennen. Die in Tabelle 9 dokumentierten
Zahlen des Bundesministeriums des Innern über
ausländische Flüchtlinge in der Bundesrepublik
Deutschland enthalten jedoch keine Angaben über
Konventionsflüchtlinge. Über die Anzahl der
Ausländerinnen und Ausländer, bei denen die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz
(AuslG) festgestellt wurde, liegen lediglich
Schätzzahlen vor, die aber die ungefähre
Größenordnung angeben dürften. Demnach
betrug die Anzahl der Personen, denen Abschiebeschutz nach §
51 Abs. 1 AusIG bei Ablehnung der Asylanerkennung gewährt
wurde, im Jahr 1991 rund 554,1992 lag sie bei 849 und für 1993
bei 2.436 und 1994 bei 9.986 Personen. Anerkennungen durch
Gerichtsentscheidung sind in diesen Zahlen nicht enthalten.
- Kontingentflüchtlinge sind im
Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene
Flüchtlinge. Ihnen wird ein dauerhaftes Bleiberecht in der
Bundesrepublik Deutschland gewährt, ohne daß sie
sich zuvor einem Anerkennungsverfahren unterziehen mußten.
- Für Kriegs- und
Bürgerkriegsflüchtlinge wurde durch
eine Änderung des Ausländergesetzes mit Wirkung vom
01.07.1993 die Möglichkeit einer vorübergehenden
Aufnahme ohne Einzelfallprüfung geschaffen. Der für
sie vorgesehene Status ist an die Bedingung gebunden, daß ein
Asylantrag nicht gestellt oder zurückgenommen wurde; auch
besteht kein Anspruch auf Aufenthalt an einem bestimmten Ort oder in
einem bestimmten Bundesland. Da noch keine Einigung auf einen Modus der
Kostenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erzielt
wurde, ist das Gesetz noch immer nicht umgesetzt worden.
In den Statistiken der Bundesausländerbeauftragten sind die
Bürgerkriegsflüchtlinge erst ab 1992 gesondert
aufgeführt.
- De-facto-Flüchtlinge sind die
größte Flüchtlingsgruppe. Diese Personen
haben entweder keinen Asylantrag gestellt oder ihr Asylantrag ist
abgelehnt worden. Ihre Abschiebung wurde vorübergehend
ausgesetzt, weil im Herkunftsland eine erhebliche konkrete Gefahr
für Leib, Leben oder Freiheit besteht oder weil dringende
humanitäre bzw. persönliche Gründe ihre
vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet
erforderlich machen.
- Heimatlose Ausländer werden
in der Statistik des Bundesministeriums des Innern ebenfalls unter die
Kategorie der Flüchtlinge gefaßt. Dabei handelt es
sich vor allem um Personen, die während des Zweiten
Weltkrieges verschleppt wurden (displaced persons) sowie um Nachkommen
dieser Personen.
Quelle: Daten und Fakten zur Ausländersituation. 18.
Aufl. (Hg. Beauftragte der Bundesregierung für
Ausländerfragen). Berlin/Bonn 1999. S. 17-18.
© Franz Josef Burghardt
2000